Doch in Anbetracht der bevorstehenden Meisterschaft hatte sich der eingefleischte BVB-Anhänger zu einem Besuch des Auswärtsspiels in der für ihn verbotenen Stadt hinreißen lassen. Dass er an diesem Tag mit seiner Ehefrau Martina Teil einer großen Story über das Derby in der Schalker Vereinszeitung gewesen ist, hatte er da schon vergessen. Erst als ihm wildfremde Menschen ausgerechnet in der Nordkurve entdeckten und zu seinem Mut gratulierten, fiel es ihm wieder ein.
Der Grund für die Geschichte: Seine Frau Martina ist glühende Anhängerin der Königsblauen: Als sie ihren Hubert vor 20 Jahren kennengelernt hat, ahnte sie noch nicht, welch aus ihrer Sicht schweres Schicksal sie in den nächsten Jahrzehnten begleiten würde. Denn in der ersten Verliebtheit ließ das Paar die wirklich wichtigen Themen des Lebens völlig außer Acht, trübten die Hormone doch die Sicht durch die Vereinsbrille.
Mit gravierenden Folgen für das junge Glück. Erst Wochen später folgte das sportliche Outing. „Man könnte auch sagen, das böse Erwachen“, erzählt Martina Basista lachend. Mit Schrecken stellte die glühende S04-Anhängerin nämlich anschließend fest: „Oh je, ich habe eine Zecke am Bein“. Auch Ehemann Hubert erging es aus seiner Warte nicht besser. „Schließlich hat meine Frau noch zwölf Geschwister, und das sind auch alles Schalker“, erklärt der eingefleischte BVB-Anhänger. In der einzig wahren Glaubensfrage des Sauerlandes so danebengelegen zu haben, daran hatten die Basistas hart zu knabbern.
Die Farben des anderen zu tragen, kam aber für beide nicht in Frage. Darin sind sie sich in der sportlichen Rivalität einig. „Ich habe früher in Gelsenkirchen auf der Schalker Straße gewohnt. Und es heißt nicht umsonst: Einmal Schalker, immer Schalker“, sagt Martina Basista im Brustton der königsblauen Überzeugung. „Der halbe Ruhrpott soll früher nach Anröchte gezogen sein. Deshalb ist fast die ganze Stadt blau-weiß. Die haben es halt immer noch nicht begriffen“, kontert Hubert. Die Konsequenz: Bei den Basistas tanzten vor zwei Jahren zu den 40. Geburtstagen des ungleichen Pärchens nicht nur die schwarz-gelbe Emma und der königsblaue Knappe Erwin, die Vereins-Maskottchen. Im heimischen Garten steht einträchtig der Gartenzwerg des FC Schalke neben seinem Artgenossen aus Dortmund.
Zusammen im Stadion waren die beiden bei einem Spiel ihrer Lieblingsmannschaften aber noch nie. Doch wenn am Samstag in der Arena das Derby angepfiffen wird, dann nehmen Martina und Hubert, wie immer, für 90 Minuten ihre Eheringe ab. Als hätte man es zusätzlich ins Ehegelübde gemeißelt: „Bis dass der Tod uns scheidet“ – und solange Schalke nicht gegen den BVB spielt. Während sich Hubert in die eine Ecke der Kneipe „Kellerkinder“ verzieht, stellt sich Martina in die Nordkurve – so wird der Schalker Bereich ihrer Stammkneipe in Anröchte genannt. „Für die Dauer des Spiels sind wir Erzfeinde“, halten beide unmissverständlich fest.
"Plötzlich standen die ganzen Schalker unten am Haus und haben geklatscht“
Für die schönste Geschichte in „Szenen einer blau-weiß-schwarz-gelben Ehe“ sorgte Hubert. Er baute seiner Martina ein Schalke-Haus. Das weiß geklinkerte Anwesen in Anröchte ist ein echter Blickfang. Das blaue Dach hat er eigenhändig gedeckt – und ihm manchen Spott aus der eigenen Familie eingebracht. „Während ich oben auf unserem Dach die Pfannen gelegt habe, hat meine Frau im Ort die halbe Verwandtschaft zusammengerufen. Plötzlich standen die ganzen Schalker unten am Haus und haben geklatscht“, erinnert er sich. „Dann bin ich vom Dach gestiegen und habe erst gemerkt, was ich da angestellt habe.“
Jetzt muss der BVB-Anhänger bis zur nächsten Renovierung mit und in seinem selbst gebauten Schalke-Haus leben. Gattin Martina findet: „Das hat er sich redlich verdient.“